Geschichte
Zu den Ureinwohnern der Mandschurei zählten überwiegend Jurchen, die Vorfahren der Mandschu. Von letzteren leitet sich der Name der Region ab, der sich im 19. Jahrhundert eingebürgert hat. Die alte chinesische Bezeichnung ist 關外, Guānwài (wörtlich übersetzt: „außerhalb des Passes/der Grenze“). Vermutlich ab dem 12. Jahrhundert, spätestens ab der Yuan-Dynastie gehörte die Provinz als fester Bestandteil zum Kaiserreich China. 1616 vereinigte Nurhaci die Mandschu-Stämme und begründete die Mandschu-Dynastie. Nach seinem Tod änderte sein Sohn Huang Taiji den Namen 1636 in Qing (wörtlich übersetzt: „rein“), welcher von 1644 bis 1912 zur Bezeichnung der von den Mandschu geführten chinesischen Kaiserdynastie wurde. In der gesamten Mandschurei galt bis 1859 für Han und andere chinesische Volksstämme eine Zuzugsperre.
Anschließend erfolgte bis 1930 eine starke Lockerung, um insbesondere russischen Expansionsbestrebungen in der dünnbesiedelten Region entgegenzuwirken. Diese Bewegung wurde in China „chuang guandong“ genannt (wörtlich übersetzt: „drängen/stürmen über den östlichen Pass“). Der Zustrom hatte zur Folge, dass die Mandschu heute nur noch eine Minderheit in der Region darstellen. Die Mandschurische Sprache ist zwischenzeitlich weitgehend ausgestorben.
Mit der Expansion Russlands nach Sibirien und der Japans nach Korea geriet die Mandschurei in die Interessenssphäre beider Großmächte. 1858 wurde China mit dem Vertrag von Aigun gezwungen, über eine halbe Million Quadratkilometer seines mandschurischen Territoriums an Russland abzutreten. Keine zwei Jahre später brach Russland den Vertrag und erhielt 1860 auf Grundlage der Pekinger Konvention die gesamte Äußere Mandschurei zugesprochen. Danach beschränkte sich die Bezeichnung Mandschurei auf den bei China verbliebenen Teil, die Innere Mandschurei. Den Westen der Mandschurei gliederte später die Volksrepublik China der autonomen Inneren Mongolei an.
Ab 1900 versuchte das Russische Kaiserreich die ganze Mandschurei zu besetzen. Diese Okkupation führte zu Spannungen zwischen Russland und Japan und endete 1904 im russisch-japanischen Krieg. Das Japanische Kaiserreich konnte die Auseinandersetzung für sich entscheiden. Russland musste die Innere Mandschurei räumen und an China zurückgeben.
1915 richtete Japan einundzwanzig Forderungen an China, die unter anderem einen Anspruch auf größeren Einfluss in der Mandschurei enthielten. 1927 entfesselte die Sowjetunion den Chinesischen Bürgerkrieg. Im sowjetisch-chinesischen Grenzkrieg versuchte die Republik China 1929 die sowjetische Machtausbreitung in der Mandschurei zurückzudrängen. Dieser Konflikt endete mit einer chinesischen Niederlage und hinterließ in der Mandschurei ein Machtvakuum.
Im Zuge der Mandschurei-Krise besetzte die Kwantung-Armee 1931 ohne Rücksprache mit der japanischen Regierung die Mandschurei und errichtete als Vasallenstaat das Mandschurische Kaiserreich (Mandschukuo).
Mit ihrem Konzept der „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ lockte die japanische Regierung Millionen Chinesen und Zehntausende Mongolen nach Mandschukuo. Tatsächlich waren die ökonomischen Kennziffern atemberaubend. Beispielsweise baute Japan das mandschurische Eisenbahnnetz innerhalb kürzester Zeit auf 12.000 Kilometer aus, was mehr als der Hälfte des chinesischen Eisenbahnnetzes entsprach. Damit entwickelte sich die Mandschurei zur industriell modernsten Region mit dem höchsten Lebensstandard in China. In dieser Folge stieg die Einwohnerzahl in der Mandschurei von etwa 17 Millionen (1917) bis Ende der 1930er Jahre auf rund 40 Millionen. 1939 waren bereits neun von zehn Bewohnern Han (35,7 Millionen), gefolgt von Koreanern (drei Prozent) und Mongolen (zweieinhalb Prozent).
Am 8. August 1945, zwei Tage nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima, zu einem Zeitpunkt als die japanische Regierung bereits Waffenstillstandsgespräche führte, erklärte die Sowjetunion Japan den Krieg und besetzte die Mandschurei. In den folgenden Monaten bauten die sowjetischen Besatzer sämtliche Rüstungs- und Industrieanlagen ab, die Japan in der Mandschurei errichtet hatte. Tausende Züge mit Maschinen, Gerät und demontierten Werkshallen rollten in Richtung Sibirien. Vor ihrem Abzug schraubten die Sowjets auch noch sämtliche Schienen ab. Der Wert des mandschurischen Plünderguts überstieg zwei Milliarden Dollar - damals eine gewaltige Summe. Die Rückgabe der Mandschurei an China erfolgte im Mai 1946.
Die Auseinandersetzungen um die 1929 im sowjetisch-chinesischen Grenzkrieg von der Roten Armee annektierten Gebiete führten in den 1960er Jahren zu weiteren militärischen Konflikten, wie dem Zwischenfall am Ussuri. Der territoriale Streit wurde erst nach dem Zerfall der Sowjetunion beigelegt. Im „Ergänzungsabkommen über den östlichen Teil der chinesisch-russischen Grenze zwischen der Volksrepublik China und der Russischen Föderation“ vom 14. Oktober 2004 verpflichtete sich Russland dazu, einige der 1929 okkupierten Gebiete, beispielsweise Abagaitu Zhouzhu, Heixiazi Dao und Qagan Shuangwa, an China zurückzugeben. Ratifiziert wurde die Rückgabe und die Festschreibung der nunmehr 4300 Kilometer langen Grenze zwischen beiden Staaten am 23. Juli 2008.